Am Montag ging es für mich von Danzig aus zur letzten Etappe auf dem Ostseeküstenradweg in Polen nach Krynica Morska, nicht weit entfernt von der Grenze zu Kaliningrad. Und was soll ich sagen – der Ostseeküstenradweg hat sich nochmal von seiner schönsten Seite gezeigt. Am Anfang führten geteerte Radwege raus aus Danzig bis nach Swibno, wo ich dann mit der Fähre kurz übersetzen musste. Danach wurde es echt traumhaft – tolle Radwege durch Buchen- und Kiefernwälder und zum Abschluss gab es dann noch einen einsamen Strand kurz vor meinem Ziel für diesen Tag. Da am Himmel leider dunkle Wolken aufzogen, konnte ich den Strand nicht so lange genießen, trotzdem war es ein toller Abschluss. 🙂









Am nächsten Morgen, packte ich zeitig mein Zeug zusammen und machte mich auf den Weg zum Hafen, da ich heute mit der Fähre wieder übersetzen musste. Dort angekommen, hieß es jedoch leider, dass die Fähre heute aufgrund von starkem Wind nicht fährt. Jedoch gab es ein größeres Schiff, dass 45min später trotzdem übersetzte. Gegen Mittag nach 1.5h Fahrt kam ich in Frombork, der Stadt in der auch Nikolaus Kopernikus lebte, an und startete dort meine Tour auf dem Green Velo. Generell kann ich nun nach den ersten Tagen auf dieser Radroute sagen, dass sie super ausgeschildert ist und deutlich bessere Wege zu bieten hat als der Ostseeküstenradweg, wenn auch teilweise etwas abenteuerlich. So führte am ersten Tag der Weg direkt auf dem Damm entlang durch ein Meer von Wildblumen. 🙂 Ansonsten geht es oft über geteerte Nebenstraßen durch kleine Dörfer oder über feste Waldwege und Schotterpisten. Es gibt aller paar Kilometer immer sogenannte MORs, d.h. kleine überdachte Raststellen und in den Orten kann man sich meistens in kleinen Lebensmittelläden mit Essen und Trinken versorgen.









Als ich in dem Zielort für diesen Tag ankam, fing es an zu regnen und ich suchte Unterschlupf in einer Bushaltestelle, wo auch schon Ortseinwohner saßen. Leider sprachen diese nur Polnisch, aber ein alter Opa versuchte mir trotzdem die Richtung zu erklären, wo ich den Campingplatz finde – zu mindestens glaube ich das, denn die Richtung, die er mir mit Handzeichen zeigte, war die gleiche, die mir meine Karte sagte. An dem Campingplatz angekommen, schaute ich nicht schlecht, als ich an den Nummernschildern sah, dass hier nur deutsche Camper waren – später gesellten sich auch noch ein paar Polnische dazu. Der Campingplatz war eine Wiese auf dem Grundstück eines älteren Herrn, denn viele Campingplätze gibt es hier in den kleinen Orten nicht. Oft sind es so Agroturistika Unterfünfte, d.h. Bauernhöfe oder Familien, die Ihren Garten zur Verfügung stellen und teilweise auch noch wenige Zimmer als eine Art Pension anbieten.
Am nächsten Morgen hatte der Wind nochmal ordentlich zugelegt und so ging es bei starken Windböen, etwas Nieselregen und bei frischen Temperaturen um die 16 Grad nach Lidzbark Warmiński. Die Fahrt war echt nicht angenehm, da ich durch das Radfahren und das hügelige Profil schwitzte, jedoch sobald ich anhielt am Frieren war. D.h. Jacke an – Jacke aus. Und dann kamen an dem Tag auch noch Wege dazu, die den Namen Straße nicht verdienen. Eigentlich war fast kein Teer mehr vorhanden, bei so vielen Schlaglöchern, die sich hier aneinander reihten – ein Ausweichen unmöglich. Eigentlich schade, denn die Route an sich war schön. Es ging immer entlang von kleinen Mooren/Sümpfen und man konnte richtig viele Störche sehen, nur so richtig genießen konnte ich es nicht. Und so kam ich genervt, durchgefroren und durchgeschüttelt am Zielort an und buchte mir spontan eine Unterkunft in einer kleine Pension. Da ich nun wusste, das ein warmes und trockenes Zimmer und eine warme Dusche auf mich wartete, fuhr ich noch eine kleine Erkundungsrunde durch die Kleinstadt.










Als es am nächsten Morgen immer noch so stürmte und Regen angesagt war, buchte ich kurzer Hand einfach noch eine Nacht und legte spontan einen Ruhetag ein. Da an dem Tag mein Isolierband ausgegangen ist, nutzte ich die freie Zeit, um mal einen Baumarkt zu besuchen. Ich mag Baumärkte und war schon neugierig was es hier in Polen so tolles gibt. Ich war etwas überrascht, da der Eingangsbereich überhaupt nicht nach Baumarkt aussah sondern eher, nach dem Sortiment zu urteilen, nach einem 1€ Laden: Waschmittel, Putzmittel, Küchenutensilien, Schreibwaren… 😀 Im hinteren Bereich des kleinen Laden gab es dann auch eine kleine Auswahl an den typischen Sachen, die man im Baumarkt so findet u.a. auch mein Isolierband.
Am nächsten Morgen wachte ich auf und sah, dass sich die Sonne ab und zu gegen die Wolken durchsetze und auch der Wind etwas abgenommen hatte. Also frühstückte ich und packte mein Zeug zusammen. Dabei erschrak ich fast zu Tode, als ich in meinem Zimmer auf einmal hinter mir Geräusche hörte – durch das offene Fenster hatte ich Besuch von der Katze der Besitzer bekommen. 😀 Diese machte auch auf leichtes Schieben und Drücken hin keine Anstalten wieder zu gehen sondern mauzte mich nur an – irgendwie gefiel es ihr auf meinem Fensterbrett. 😀

Die Tagesetappe war bis auf einen sandigen und Betonplatten – Abschnitt, den ich jedoch großzügig umfuhr, eigentlich echt top: viele Mini-Dörfer mit Backsteinkirchen, Kloster und Bauernhöfen.







Als Unterkunft hatte ich mir heute etwas außerhalb von Sepopol ein Agritourstik Unterkunft ausgesucht. Die betrieben das ganze schon etwas professioneller, denn neben Zimmern und einer Zeltwiese boten sie auch Betten in kleinen Hütten und in einer Blase an – mit Sauna, Whirlpool und Pool.



Da die Unterkunft außerhalb des Ortes an einer ruhigen Straße lag, versprach die Nacht ruhig zu werden. Bis zu dem Moment, als ich mehrere Mädels in der überdachten Sitzecke Luftballons mit der Aufschrift „Bride to be“ aufhängen sah. Ich ahnte, dass hier am Abend ein Junggesellinenabschied stattfinden würde. 😀 Naja, die Musik die sie anmachten, hörte sich ganz gut an – immerhin.
Später kamen dann auch noch die Gäste der Hütte neben an. Sie hatten eine Flasche dabei und fragten mich, ob ich auch etwas „Polish Whisky“ trinken möchte. Warum nicht – kann vielleicht helfen den JGA auszuhalten, dachte ich mir. 😀 Ich dachte wir trinken ein Schnapsglas oder so, aber sie waren gut im Nachschütten und da ich kein Schnapsglas hatte, sondern meinen normalen Trinkbecher, aus dem ich sonst Tee trinke, musste ich höllisch aufpassen, dass sie mir den nicht bis oben hin voll machten. Der Mann konnte ein paar Brocken Englisch, jedoch konnte seine Frau nur Polnisch. Also kommunizierten wir über Google Translate und mit Händen und Füßen. Nach jedem Schluck Whisky verzogen sie das Gesicht und es gab einen großen Schluck Wasser – clever. Der Mann meinte, dass der Whisky 70% hätte – so ganz glauben kann ich das noch nicht, da er überhaupt nicht gebrannt hat und eigentlich echt gut geschmeckt hat. Ich konnte es nicht überprüfen, denn er war in eine andere Flasche umgefüllt, sodass die Angaben auf der Flasche nichts mit dem Inhalt zu tun hatte. Das Wasser zum Whiskey hat bei ihm anscheinend nicht soooo viel gebracht, da er dann meinte, dass die Hütte nachts so schwanken würde. Ich schaut ihn leicht irritiert an. Warum soll denn bitte die Hütte schwanken – er meinte, vielleicht weil sie auf Stelzen steht. Aja – ist klar?! Könnte vielleicht auch eher an seinem Pegel gelegen haben, den er nun schon hatte. Da nun der JGA auch schon im vollen Gange war und die Mädels für Fotos im Garten posierten, war der Mann ziemlich abgelenkt und hatte nur noch Augen für die jungen Mädels. Ganz zum Ärgernis seiner Frau, die mir mit Zeichensprache zeigte, dass sie das voll doof findet und er doch viel zu alt für die jungen Mädels ist. Als es ihr zu bunt wurde, hat sie sich nach einem letzten gemeinsamen Anstoßen mit „Polish Whisky“ von mir verabschiedet und ist beleidigt in die Hütte gegangen. Kurz darauf torkelte und schwankte auch ihr Mann in die Hütte und ich war froh, heil aus der „Polish Whisky“ Nummer rausgekommen zu sein und kochte mir erst einmal Abendessen. 😀
Seit dem zweiten Tag auf dem Green Velo fahre ich durch die Masuren, so wird das Gebiet hier im nördlichen Teil von Polen bezeichnet. Es bietet u.a. die masurische Seenplatte und man kann hier viele Bunker und Anlagen der Nazis aus dem 2. Weltkrieg besuchen. Und genau das war mein Ziel für diesenTag. Ich hatte mir für 2 Nächte über AirBnB ein kleines Appartment in Wegorzewo gemietet, damit ich heute einen kleinen Ausflug um die Seen machen konnte und die Bunker besichtigen konnte. Auf dem Weg zu meiner Unterkunft, fuhr ich wieder auf geteerten Nebenstraßen durch Dörfer und irgendwie müssen sich hier Störche besonders wohl fühlen. Jedes Dorf hatte mindestens 3 Storchennester – ich habe noch nie so viele Störche auf einmal gesehen.


Kurz vor dem Ziel meiner Etappe, besichtigte ich die Schleusen, die die Nazis damals errichtet, jedoch nicht fertiggestellt, haben. Ziel war es wohl die masurische Seenplatte über einen Kanal mit der Ostsee zu verbinden und über die Schleusen schiffbar zu machen.



Heute ging es dann mit leichtem Gepäck auf eine kleine Erkundungstour um die nördlichen Seen der Seenplatte und vorbei an den noch gut erhaltenen Bunkern der Deutschen aus dem 2. Weltkrieg. Die Seenplatte ist echt super toll und so schön ruhig – es war überhaupt nicht viel los auf den Straßen. Vielleicht merkt man jetzt schon, dass die Hauptsaison Ende August bald vorbei ist.




An den Bunkern in Mamerki habe ich noch 2 andere Radreisende, Katarczyna und Kamil, getroffen, die gerade ihre Räder angeschlossen haben. Ich wollte gerade mein Rad dazustellen, als mich beide ansprachen. Es stellte sich heraus, dass die beiden aus Polen kommen, jedoch seit längerer Zeit in Essen wohnen und deshalb auch super Deutsch sprechen.
Kamil ist Fahrradmechaniker und war sehr überrascht, dass sich zwei Radfahrer im Nirgendwo von Polen treffen und die Räder die gleichen Schalt- und Bremsgriffe in Kombination mit einer Rohloffschaltung haben, da es nur einen Hersteller auf dem Markt gibt, der sie für einen Rennradlenker anbietet und man wohl nur mit langen Wartezeiten ran kommt. Und meinen Fahrradhersteller Velotraum kannte er natürlich auch. 🙂

Wir verstanden uns super und besuchten gemeinsam die Bunkeranlagen.






Auf dem Gelände gab es auch einen Aussichtsturm, von dem aus wir einen super Blick über die Gegend hatten.


Anschließend luden mich die beiden noch auf ein Radler und Kartoffelpuffer mit sauerer Sahne am Bistro auf dem Gelände ein. Wir tauschten noch Nummern aus und sie boten mir an, dass ich sie gern in Essen auf meiner Tour besuchen kann und wenn ich Hilfe mit dem Rad oder mit der polnischen Sprache brauche, dann könne ich mich gern jederzeit melden. Das war auf jeden Fall eine sehr tolle Begegnung. 🙂
Für mich geht es jetzt noch 2 Tage weiter auf dem Green Velo durch Nordpolen, bevor es dann nach Litauen geht.
Hallo Susann, vielen Dank für das Teilen Deines Reiseberichts. Freue mich immer darüber. Wegen des Alkoholgehalts erklärte mir vor ein paar Tagen ein Slowenen, dass für einige seiner Landsleute Schnaps mit „nur“ 42% Wasser ist. Da hilft wohl nur Übung oder das ganze mit nem Schluck H2O nachzuspülen 😅 Wünsche Dir noch einen guten Weg und weiterhin viele freundliche Begegnungen. LG
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