Für Polen hatte ich mir als erstes Etappenziel Danzig gesetzt. Bis hierhin wollte ich auf jeden Fall in Polen mit dem Rad fahren und anschließend entscheiden, wohin ich als nächstes fahre. Seit Mittwoch habe ich das Ziel erreicht und ich muss sagen Danzig gefällt mir sehr gut, weshalb ich hier auch noch bis morgen bleibe, um den müden Beinen eine Chance zu geben sich von der herausfordernden und abenteuerlichen Strecke zu erholen. 😉
Denn herausfordernd und abenteuerlich ging es auch nach meiner kleinen Verschnaufspause in Klecino weiter. Doch zunächst gab es morgens ein ausgiebiges und tolles Frühstück in der Bed & Breakfast Unterkunft. Dabei lernte ich noch eine neue polnische Vokabel. Die Besitzerin sprach Englisch, jedoch die Angestellte, die ihr beim Frühstück hilft, nicht. Sie fragte mich auf Polnisch ob und wenn ja wie ich mein Ei haben möchte, nur leider konnte ich nicht antworten, weil ich die Optionen gar nicht verstand. Nachdem die Besitzerin mich dann in Englisch fragte, übten wir anschließend das Wort für Rührei auf Polnisch – zur Belustigung meiner Tischnachbarn 😉 . Am Anfang klang es schnell ausgesprochen noch wie ein Zungenbrecher, jedoch war es am Ende gar nicht so schwer: jajecznica – gesprochen: „jajeschnitza“.
Gestärkt und erholt vom Ruhetag hieß es nun wieder in die Pedalen zu treten – Ziel für heute war Leba, denn da wollte ich mir die größte Wanderdüne Europas anschauen. Auf dem Weg dahin entdeckte ich einen Steg, der auf den See Lebsko führte, von dem aus ich am Horizont auch schon die Sanddünen sehen konnte.






Nach 10km Fahrt durch den Wald, tiefem Sand und einigen Schiebepassagen kam ich in Leba an. Nach einer kleinen Stärkung, Zeltaufbau und Dusche ging es mit dem Rad weiter in Richtung Wanderdüne. Hierzu kann man in Leba entweder ein elektrisches, etwas größeres Golf Caddy nutzen, das einen dann zur Düne kutschiert oder man fährt die 9km mit dem Rad oder man geht zu Fuß.
Da ich nachmittags gegen 15 Uhr bei der Düne ankam, war auch nicht mehr ganz so viel los und die verbleibenden Besucher verliefen sich.







Leba machte am Nachmittag einen nicht allzu überfüllten Eindruck, jedoch täuschte das ein wenig, denn abends war der Ort wieder prall gefüllt. Aber ein paar tolle Eindrücke konnte ich doch noch festhalten.

Am Abend schaute ich mir die Route für den nächsten Tag an: es sollte am Anfang wieder durch einen Wald gehen und das Oberflächenprofil bei Komoot sagte wieder losen Untergrund voraus. Irgendwie hatte ich schon so eine Vorahnung, dass die ersten Kilometer an diesem Tag sehr anstrengend werden könnten und ich überlegte, ob ich nicht von dem Ostseeküstenradweg abweichen und über kleinere Nebenstraßen über die Dörfer fahren sollte. Da jedoch nach ca 12 km ein kleiner Abzweig von dem Weg durch den Wald zu den Dörfern vorhanden war, wollte ich dem Ostseeküstenradweg eine Chance geben. Diese Entscheidung habe ich schnell bereut und sehnte mir schon nach Kurzem den Abzweig zu den Dörfern herbei. 😀
Es gab nicht nur wieder tiefen Sand sondern dieses Mal kam noch ein 8km langen Single Trail dazu, über den ich meinen kleinen „Panzer“, wie ich mein Rad mittlerweile liebevoll nenne, manövrieren musste. Der Trail bot vieles: Baumwurzeln in groß und klein, umgekippte Baumstämme, Ausläufer von Sanddünen und ein ständiges Hoch und Runter. Da ich an dem Morgen zeitig losgekommen bin, war ich auch anscheinend die Erste auf diesem Abschnitt, denn überall waren noch die Spinnennetze zwischen den Bäumen gespannt und hingen mir immer wieder im Gesicht, nachdem ich durch sie durchfahren musste. Zwischenzeitlich fragte ich mich, ob ich hier wirklich richtig war und dem Ostseeküstenradweg folgte, aber immer wieder tauchten ausgewaschene Zeichen an den Bäumen auf, die mir bestätigten, dass das schon die richtige Route war. Völlig fertig und einmal komplett durchgeschwitzt, war ich froh, als ich am Abzweig ankam – und das nach nur 12 von 77km 😀
Nach kurzer Zeit traf ich auf dem Abzweig zu den Dörfern zwei polnische Frauen, die mit dem Rad reisten. Sie wollten wissen, wie die Wegbeschaffenheit des Ostseeküstenradweges Richtung Osten war. Dies wusste ich selbst auch nicht, da ich aus Richtung Westen kam und nur über das Abenteuer von zuvor berichten konnte. Die eine der beiden, wusste genau wovon ich sprach und konnte mitfühlen, da sie den Abschnitt vor einigen Jahren auch gefahren ist und auch nur am Fluchen war. Anschließend kamen noch zwei andere polnische Tagesausflügler mit dem Rad vorbei, die meinten, dass der Weg Richtung Osten nicht mehr ganz so schlimm ist und man ihn fahren könne. Ich entschied mich aber trotzdem lieber für die Straße, weil ich für diesen Tag die Schnauze voll hatte und lieber auf Nummer sicher gehen wollte. Die beiden Frauen wagten das Abenteuer und fuhren auf dem Ostseeküstenradweg weiter.
Nachdem ich einige wenige Kilometer über Dörfer gefahren bin, schaute ich etwas überrascht, als ich in einem Wald wieder das Eurovelo 10/13 Schild entdeckte, obwohl dieser dort laut Karte gar nicht sein sollte. Die Zeichen führten wieder zurück zum Ostseeküstenradweg und ich überlegte, ob ich Ihnen wirklich folgen sollte. Da aber bisher die EV10/13 Abschnitte immer gut waren, fuhr ich wieder zurück zur Route und ich wurde belohnt. Ab jetzt war der EV10/13 ausgeschildert und die Wege entsprechend toll – breite Wege durch den Wald. Und kurz nachdem ich wieder auf der Route war entdeckte ich vor mir auch die beiden polnischen Radfahrerinnen von eben. Wir fuhren ein Stück zusammen und machten im nächsten Ort bei einem Kaffee und einer Waffel Pause – kleine Stärkung nach diesen Strapazen muss einfach sein. Anschließend fuhr ich dann wieder alleine weiter, da ich doch etwas schneller unterwegs war als die beiden. Die Etappe verlief weiter auf guten Waldwegen und nach ein paar Höhenmetern am Ende kam ich an meinem Ziel für den Tag an. Was für ein Tagesetappe. 🙂








Der Campingplatz war an einer Steilküste und hatte einen eigenen Zugang zum Strand und zur Ostsee, sodass ich mich am späten Nachmittag von den Strapazen etwas am Strand erholte.



Am nächsten Tag sollte es eigentlich auf die Peninsula Hel gehen und von dort aus mit der Fähre dann nach Gdańsk (Danzig). Allerdings sagte der Wetterbericht die Tage zuvor noch mehrere Tage Regen in Folge an, weshalb ich mich lieber dazu entschied, eine Nacht eher schon die Unterkunft in Danzig zu buchen. Leider ist das Angebot an Unterkünften bei einer spontanen Buchung sehr begrenzt oder nicht bezahlbar, weshalb ich die Unterkunft für Danzig bereits an meinem Ruhetag in dem Bett & Breakfast in Klecino buchte. So war ich jetzt nicht mehr ganz so flexibel bei der Routenplanung, aber meine Beine haben mir den einen ersparten Radfahrtag gedankt. 🙂
Also ging es am Mittwoch auf zur letzten Etappe mit dem Ziel Danzig. Die Route führte zunächst schön am Wasser entlang, was tolle Aussichten über Ostsee und auf die Peninsula für mich bereit hielt.





Anschließend ging es dann in die Dreistadt. So werden die Städte Gdynia, Zopot und Gdańsk genannt, die nebeneinander an der Küste liegen und ineinander übergehen. Ich war gespannt auf die Fahrt durch die Städte, da der Ostseeküstenradweg mit der Einfahrt nach Gdynia auf der Karte aufhört. Ich wurde positiv überrascht – die Fahrt durch die Städte war die einfachste und entspannteste Fahrt, die ich jemals durch unbekannte Städte hatte: überall durchgehende Radwege getrennt vom Auto- und Fußgängerverkehr und in einem super Zustand. Wahnsinn – da können sich andere Städte eine Scheibe von abschneiden.



Zwischendrin fing es immer mal wieder kurz an zu regnen, aber die Regenschauer habe ich gut bei Kaffee und Kuchen in einem Café und beim Aufpumpen meiner Räder an einer Tankstelle ausgesessen, sodass es dann auf den letzten Kilometern bis zur Unterkunft im Trocknen weitergehen konnte. Als Unterkunft hatte ich mir ein kleines Appartment im Studentenwohnheim genommen. Man hat hier alles was man braucht: eine kleine Küchenzeile, eigenes Bad, Bett, Schreibtisch, Schrank, gute Internetverbindung und im Keller gibt es auch Waschmaschinen und Trockner – natürlich zu Studentenpreisen 😉 . Was braucht man mehr?!



Mit dem Bus, der direkt davor abfährt, ist man in 20min in der Altstadt und nebenan ist die Universität und ein Viertel namens Wrzeszcz (ein echter Zungenbrecher – die Aussprache bei Google Translate klingt wie: steschst), was echt tolle Cafés und Restaurants zu bieten hat.
Am nächsten Tag machte ich mich vormittags auf in die Altstadt von Danzig. Also ich muss sagen ich hatte Danzig nie wirklich auf dem Schirm, aber es hat eine super schöne Altstadt. Durchaus mal einen Trip für ein verlängertes Wochenende wert, wenn man am richtigen Ort in Deutschland wohnt und somit keine wahnsinnig lange Anreise hat.











Innerhalb der Altstadt kann man die Stadt auf den Türmen von Kirchen oder dem Rathaus auch von oben bewundern. Das lass ich mir doch nicht zweimal sagen und so ging es hoch auf das Rathaus, von wo aus man die Dimensionen der Marienkirche, die eine der drei größten Backsteinkirchen nördlich der Alpen ist, deutlich besser wahrnimmt als von den kleinen Sträßchen unten. Da sehen die anderen Häuser gleich wie Miniaturhäuschen aus 🙂




Einen weiteren tollen Ausblick hat man vom 50m hohen Gradowa-Berg nähe dem Bahnhof, mit den Überresten von einer Hügelfestung.







An dem Tag gönnte ich mir in Danzig eine intensive Thai-Sport-Massage für meine Beine. Was soll ich sagen, die Masseurin hatte ihren Spaß und lachte und freute sich über jede neu gefundene Verspannung in den Beinen und ich hätte im gleichen Moment aufgrund der Schmerzen aufschreien können. Aber es war ein guter Schmerz und am nächsten Tag fühlten sich die Beine schon ein wenig besser an 🙂 .
Was ich auch sehr toll an der Dreistadt finde, sind die Stadtstrände. Genial! Und genau dahin ging es dann am Freitag. Anschließend wollte ich die Dreistadt nochmal von oben bewundern und fuhr auf das Aussichtsdeck vom Olivia Star Tower in die 32. Etage – 180m über dem Boden. Oben auf dem Tower befindet sich auch ein Restaurant, das natürlich – wie soll es anders sein – wieder leckere Törtchen anbietet. Bloß gut, dass ich in Polen mit dem Rad unterwegs bin und so die Törtchen und Kuchen in vollen Zügen genießen kann. 😀







Am Abend machte ich mich dann nochmal auf in die Altstadt, um die Abendstimmung der Altstadt in Bildern einzufangen.












Da ich seit längerem auf der Suche nach einem Regenponcho bin, nutzte ich die Chance und bestellte mir einen zu einer Decathlon Filiale hier in Danzig. Auf dem Weg dorthin kam ich auch mal in ganz normale Wohnviertel. Es ist schon teilweise ein starker Kontrast zur Altstadt und auch zwischen den Wohnhäusern untereinander.







Nachdem ich mich in Danzig nun ein wenig erholt und meine Energiespeicher (vorallem mit Kuchen und Törtchen 😉 )wieder aufgefüllt habe, geht es dann morgen weiter Richtung Ostpolen mit der litauischen Grenze als Ziel. Als Radweg habe ich mir den Green Velo rausgesucht – er verspricht genauso abenteuerlich und herausfordernd zu werden wie der Ostseeküstenradweg. Na dann – ich bin gespannt. 😀